Donnerstag, 25. Juli 2013
Stammtischspaziergang


Kurz bei meinen Eltern.
Der letzte Seminarblock beendet und damit die Fahrten zu Studienort und Elternhaus.
Und irgendwie kommt das Gespräch von Muttersein auf Frauenbild und -rolle.
Plötzlich ergibt sich die Möglichkeit, ein mir wichtiges Lebensthema vorzustellen.

Also dann!
Fast nebenbei erwähne ich "den" Stammtisch, den ich besuche und die Thematik, die ihn zusammenführt: meine vergangene Transsexualität als Beweggrund, dorthin zu gehen.

Ich werde nicht unterbrochen und ich kann zu Ende sprechen.
Das festigt.
Die Blicke der Eltern ruhig und aufmerksam.
Sie hören mir zu.
Eine Erfahrung, die ich nicht mit meinen Eltern assoziiere.
Vielleicht spreche ich deshalb oft so schnell.
Schnell immer die Essenz hineinwerfen.
Schöne Gespräche gehen anders.

Wie auch immer - diesmal ist es ruhig.
Jetzt bin ich aber gespannt.
Meine Mutter ergreift zuerst das Wort:
"Wozu muss man denn zu so etwas hingehen?"
Diese Frage finde ich zwar merkwürdig, aber das zählt nicht:
"Muss man gar nicht, mir gefällt der Austausch mit anderen, die eine ähnliche Geschichte oder Empfindungen haben."
Mein Vater wirft ein: "Früher gab es doch so etwas auch nicht."

Umso besser, dass es das heute gibt, denke ich mir und überlege, wann die Zeit für die Erzählung vom Stammtisch "Frauenliebender Mütter" reif ist.



aus meiner Zeichenkiste




Sommerideen 2012.



Dienstag, 23. Juli 2013
Stirb Dich neu!


An einem Samstagnachmittag im April sah ich sie versteinerteingegraut vor mir.
Ich verspürte sofort den dringenden Impuls, eine Blume zu erwerben.
Eine vor Blüten überbordende Blumenampel nahm ich ohne Zögern mit zu mir.
Sie zog auf den Badewannenfensterfliesen ein.
Doch das bunte Glück hielt nicht lange.
Läuse bezogen Stengel für Stengel.
Ich wollte die Blume retten. Unbedingt.
So zog die Adelia bipunktata bei mir ein.
Aus der Versandtasche.
Und ein paar nahm ich noch, schon frühlingsfit, von einem Acker mit.
Ich leerte eine Traubenzuckerschachtel und tat sie hinein.
Unterwegs schaute ich nach ihrem Befinden.
Zwei schaukelten aufeinander traubenzuckerbestäubt und liebestrunken.
Kaum auf der traumatisierten Blume angekommen, fraß sich die eine voll Läuse, während die beiden anderen im Akt schwingend alle Läuse verträumten.
Eine Woche später legte Frau Bipunktata eine lange, synchron angelegte Eierreihe.
Ein Wettlauf.
Würden diese Neuen und ihr Nachwuchs und die Larven aus dem Versandhandel es schaffen?
Aus den Eiern schlüpften zeitgleich winzige spinnenartige Wesen.
Die Läuse zeigten sich nicht sonderlich beeindruckt.
Die Larven wuchsen und fraßen.
Adelia bipunktata tat ihr Möglichstes - und.

Vergebens.
Vergebens sah ich die Spinnchen wachsen und gedeihen.
Die Larven in ihrem spröden Charme erstarren und mutieren.
Der erste tot mit ausgestreckten Flügelchen und noch ganz durchsichtigem Rot.
Die anderen ohne Chance gegen Massen von Blattläusen.

Verloren.
Ich gab die Käfer frei.
Sie hatten getan, was sie konnten.
Und ich verlor die zweite Blume, die ich aus einem plötzlichen Impuls einer Seelenbewegung in mein Haus geholt hatte.

Erkenntnisgewinn.
Keine Blumen gegen Steine.

Eine neue Pflanzung an der frischen Luft.
Läuse kamen.
Und die Adelia aus freien Stücken.
Läuse gingen.

Das liegt an den Pflanzen.
Die schaffen das.
Duftsignale.

Let it all be!



Freitag, 19. Juli 2013
Einmal Paradies.


Mit Abstand über Dinge zu schreiben, ist einfacher und klingt plausibler.
Ich bin am anderen Ende der Mitte, es denkt sich rumpelig und sperrig.
Bitte nicht daran stoßen.
Ein paar chronologische Gedanken.

Lieben ist schenken.
Un - bedingt.

Sie hat mich seelisch berührt, so berührt, dass sich nach der ersten Berührung unserer Hände sich auch mein Ich erschloss. Alles öffnete sich plötzlich. Seelenrinnsale verknüpften sich zu Strömen, die ungekannte Gefühle und VITAlität in sich trugen. Es war wie ein Fluss, der plötzlich in mir und zu mir gehören zu schien und der sowohl mit ihr als auch mit mir existent und existentiell wurde.

Überwältigend.
Unfassbar.
Im Wortsinn.

Die Ratio wurde angeschmissen, weil ich mich diesem Strom ausgeliefert fühlte, da Kontrolle etwas ist, das mir wichtig ist.
Aber die Ratio hatte nix zu sagen, außer: pass auf, was Du tust und tue nur das, zu dem du stehst.
Alles drumherum war völlig out of control und neu für mich.
Es war wunderbar beängstigend.

Mich ängstigte zunächst nicht eine mögliche Ablehnung, sondern die Intensität meiner Gefühle, die mich einfach mitnahmen und in unbekannte Gefilde forttrugen.
Wo sollte mich das hinführen, wenn ich schon ein paar Stunden nach unserer ersten Annäherung diese unglaubliche attractedness zu ihr hatte?

Es führte mich zu mir.
Keine Frage.
Und das mit einer Geradlinigkeit, die nicht von mir gesteuert wurde.
Ich entwickelte mich synchron zu den Ereignissen.

Meine Entwicklung zur Frau läuft jetzt - auch ohne sie.

Das ist logisch und beruhigend.

Aber.
Ich habe Angst, allein im romantischen Sinne zu bleiben.
Angst vor sinnlicher Einsamkeit.
Und dabei ist nicht unbedingt mangelnde sexuelle Erfüllung gemeint, sondern eine Angst vor Gefühlsarmut, Taubheit, Flachheit der Gefühlswelt.

Das ist vielleicht die kleinere Angst, wenn man Angst so kategorisieren kann.
Ohne sie in meinem Leben wird aber etwas Entscheidendes fehlen und deswegen schrieb ich vom Absterben.

Absterben als eine Reduktion meines Lebens auf das Nichttranszentdentale.
Reduktion auf das Fassbarkonkrete.

Für mich ist es mit ihr, trotz unserer Charakterunterschiede und ihres insgesamt sehr unfairen Verhaltens, ein Erleben seelischer Ewigkeit, der Blick in die Unfassbarkeit unseres Lebens.
Hier hören die Worte auf.

Und es kommen erst einmal wieder die Tränen.

Und dazu gehört das:
Hans Dieter Hüsch hat es so zutreffend geschildert:

"Wenn Du bedenkst,
dass das Ganze nichts auf sich hat,
jeder vollzieht seine Endlichkeit
in einer anderen Stadt.
Sucht sich Erfüllung
für sein weltliches Defizit,
einzig Musik hält mit der Trauer schritt."

In ihren Augen entdeckte ich den Himmel.

Vielleicht muss das für das Leben reichen.



Mittwoch, 17. Juli 2013
Ungeduldige Verletzungsangst


Meine Angst vor existentieller Leere ist groß.
Existentielle Leere entbehrt das Wesentliche, das ich in meinem Leben ausgemacht habe.
Etwas, das mich seelisch nährt.
Dass ich darüber hinaus als sinnstiftend empfinde.
Ich bin gut beschäftigt in meinem Leben.
Langeweile kenne ich ebenso wenig wie Probleme mit der Gestaltung der Zeit, die mir uneingeschränkt zur Verfügung steht. Ich stehe mit verschiedenen interessanten Menschen in Kontakt, unterhalte eine Plattform zum Austausch oder treffe mich, um gemeinsam die Zeit zu verbingen.

Es ist schon gut so, wie es ist.
Und trotzdem: es fehlt etwas.

Ich habe mich schon früher gefragt, warum ich bei diesen wirklich an- und ausgefüllten Tagen nicht glücklich und zufrieden bin.

Was denn noch?
Mein Ich in seinem Zuhause.
Das fehlt.

Deshalb dieser Blog, der sich damit beschäftigen soll, herauszufinden, was mir ein Zuhause sein kann und wem ich ein Zuhause sein könnte.

Im vorangegangen Blog habe ich versucht, mich dem Kern der Dinge anzunähern. Zu lauschen, wie sie ticken, zu gucken, was sie ausmacht. Es war oft eine Reise in völliges Neuland, anstrengend auf dem Weg, und Akzeptanz fordernd am Schluss.
Nicht immer angenehm, aber sehr erkenntnisreich.

Jetzt soll es um den Weg zu mir selber gehen.
Innerlich wie äußerlich.
Lange habe ich diese Konfrontation abzumildern versucht.
Mich versteckt hinter dem Wunschbild, das ich von mir selber hatte. Ich maß und regelte mich am eigenen Ideal. Bedingungsloses Annehmen meiner eigenen Person schien mir schon aus Gründen meiner Transsexualität nicht machbar.
Ich bin nicht alleine damit gewesen, das ist eine späte Erkenntnis der letzten Monate. Dass es ein so häufiges Phänomen auch unter Frauen ist, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte, hat mir im Nachhinein ein "sich-ganz-normal-fühlen" beschert. Es ist eben nicht so, dass derjenige, der sich anders fühlt oder verhält, immer unbedingt darauf Wert legt, als anders wahrgenommen zu werden.

Nachdem sich das Thema Transsexualität mehr oder weniger über Nacht erledigt hatte - ich verliebte mich in eine Frau und wurde dabei innerlich zur Frau - möchte ich diesen noch so jungen Pfaden folgen, die sich als sehr einschneidend für meine bisherige Lebensumwelt erwiesen.

Der Weg vom gefühlten Mann zur gefühlten Frau war ein schon begonner Prozess, der mit einem enormen Schritt vollendet wurde, dessen neue Richtung aber immer noch nicht ganz ausgestaltet ist. Das braucht Zeit, hier dränge ich mich nicht und fühle mich einfach in diese neue Lebenserfahrung hinein.

Die Erfahrung auch eine Frau lieben zu können, macht mich jedoch sehr ungeduldig mit mir selbst. Ich habe Angst, dass es nur ein einziges Mal möglich war, dass ich mich nun weder in Männer noch in Frauen verlieben kann. Auch dass ich letztendlich langsam innerlich absterben werde.

In den vergangenen Monaten habe ich mich sowohl unter Transsexuelle als auch unter frauenliebende Frauen begeben und echte Freundschaften geschlossen - aber keine Beziehungen. Die ganzen Wunden zu frisch, die Liebe nicht totzukriegen, irgendwann habe ich sie einfach angenommen und warte nun darauf, dass sie sich in Luft auflöst - kein Zuhause für jemand Neues, aber vor allem kein Zuhause für mich mit diesen ganzen Gefühlen, die nicht lebbar sind.

Ich hoffe, dass sich aus den neuen Schritten Wege ergeben, die ich gehen kann, ohne Verletzungsangst.

Und dass diese Wege das Ziel "Coming home" nicht verfehlen.



Nicht denken, bitte!
Topic: Agonie


Heute wäre ich eigentlich an der Uni gewesen.
Ein Referat haltend über eine Flaneurin und ihre Eindrücke von Paris.
Eine schöntraurige Kurzgeschichte über eine verpatztverpasste Liebe.
Alles war vorbereitet, die Tasche stand schon abfahrbereit.

Wenn ich nicht um 3.30 aufgewacht wäre.
Schmerzen. Solche Schmerzen.
Diese Lipome. Gutartig aber bösartig schmerzend, wenn sie Nerven bedrängen.
Es werden immer mehr und nichts hält sie auf.
Nach den Schmerzen fehlte der Schlaf.
Traumloses Wortaneinanderreihen in Gedanken.
Erst recht kein Schlaf.
Plötzlich wieder einmal das Herz.
Neuerdings tut es das.
Wie Stillstand und danach ein neuer Schlag.
Die Schulter klinkt sich ein, ihr Knochen zieht.

Elende Nacht.
Morgenröte auf den Fenstern.
Neuer Schlaf - schnell noch vor der Fahrt.

Nein! Wie ein Schuss ein Stich in den Rücken.
Schmerztheater komplett.
Jetzt wird mir auch noch übel.

Ich denke mich auf grüne Auen.
Und denke an Herrn Pascal, den Denker, der nachts dachte, um seiner Schmerzen Herr zu werden.

8.00 aufstehen.
Der Kreislauf bleibt liegen.
Ich lege mich dazu.

Keine Uni.
Keine Frau, deren Rendezvous auf dem Boulevard Saint-Germain erträumt die Wirklichkeit übertrifft.
Kein Pascal.
kein Ibsen.

Mein Frust.
Andere gingen vielleicht gerne nicht.
Ich weine, wenn nicht.
Selber schuld.

Mein Leben ist Gift für mich.

Langes Sitzen für die Uni.
Langes Sitzen für den eigenen Job.
Langes Sitzen für das Netz.
Stress im Muttersein.
Stress im Zuweniggeld.
Stress im Alltagskleid.

Grüne Auen zweimal in der Woche.
Urlaub zerrinnt in kleine Scheibchen.
Ferienzeit ist arbeitsfreie Zeit.
Diesmal nicht.

Sabbatical?
AUSSTEIGEN! ALLE AUSSTEIGEN!
Bevor ich aussteige, muss ich noch etwas erledigen.

Die Liebe sehen.
Sie ist immer noch schön.
Tot.
Endlich.
Vielleicht kann sie nun vergehen.

Man wird sehen.
Frau gesucht.

Herzlich Willkommen!



Mittwoch, 5. Juni 2013
Frau gesucht!


Darum soll es hier also gehen.
Um das Finden von Frauen.
Ganz genau:
um das Finden einer Frau.

Und doch ist es kein Kontaktgesuch.

Es ist ein Kontaktversuch zu dem, was innen ist.
In mir.
Einer Frau.