Ungeduldige Verletzungsangst


Meine Angst vor existentieller Leere ist groß.
Existentielle Leere entbehrt das Wesentliche, das ich in meinem Leben ausgemacht habe.
Etwas, das mich seelisch nährt.
Dass ich darüber hinaus als sinnstiftend empfinde.
Ich bin gut beschäftigt in meinem Leben.
Langeweile kenne ich ebenso wenig wie Probleme mit der Gestaltung der Zeit, die mir uneingeschränkt zur Verfügung steht. Ich stehe mit verschiedenen interessanten Menschen in Kontakt, unterhalte eine Plattform zum Austausch oder treffe mich, um gemeinsam die Zeit zu verbingen.

Es ist schon gut so, wie es ist.
Und trotzdem: es fehlt etwas.

Ich habe mich schon früher gefragt, warum ich bei diesen wirklich an- und ausgefüllten Tagen nicht glücklich und zufrieden bin.

Was denn noch?
Mein Ich in seinem Zuhause.
Das fehlt.

Deshalb dieser Blog, der sich damit beschäftigen soll, herauszufinden, was mir ein Zuhause sein kann und wem ich ein Zuhause sein könnte.

Im vorangegangen Blog habe ich versucht, mich dem Kern der Dinge anzunähern. Zu lauschen, wie sie ticken, zu gucken, was sie ausmacht. Es war oft eine Reise in völliges Neuland, anstrengend auf dem Weg, und Akzeptanz fordernd am Schluss.
Nicht immer angenehm, aber sehr erkenntnisreich.

Jetzt soll es um den Weg zu mir selber gehen.
Innerlich wie äußerlich.
Lange habe ich diese Konfrontation abzumildern versucht.
Mich versteckt hinter dem Wunschbild, das ich von mir selber hatte. Ich maß und regelte mich am eigenen Ideal. Bedingungsloses Annehmen meiner eigenen Person schien mir schon aus Gründen meiner Transsexualität nicht machbar.
Ich bin nicht alleine damit gewesen, das ist eine späte Erkenntnis der letzten Monate. Dass es ein so häufiges Phänomen auch unter Frauen ist, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte, hat mir im Nachhinein ein "sich-ganz-normal-fühlen" beschert. Es ist eben nicht so, dass derjenige, der sich anders fühlt oder verhält, immer unbedingt darauf Wert legt, als anders wahrgenommen zu werden.

Nachdem sich das Thema Transsexualität mehr oder weniger über Nacht erledigt hatte - ich verliebte mich in eine Frau und wurde dabei innerlich zur Frau - möchte ich diesen noch so jungen Pfaden folgen, die sich als sehr einschneidend für meine bisherige Lebensumwelt erwiesen.

Der Weg vom gefühlten Mann zur gefühlten Frau war ein schon begonner Prozess, der mit einem enormen Schritt vollendet wurde, dessen neue Richtung aber immer noch nicht ganz ausgestaltet ist. Das braucht Zeit, hier dränge ich mich nicht und fühle mich einfach in diese neue Lebenserfahrung hinein.

Die Erfahrung auch eine Frau lieben zu können, macht mich jedoch sehr ungeduldig mit mir selbst. Ich habe Angst, dass es nur ein einziges Mal möglich war, dass ich mich nun weder in Männer noch in Frauen verlieben kann. Auch dass ich letztendlich langsam innerlich absterben werde.

In den vergangenen Monaten habe ich mich sowohl unter Transsexuelle als auch unter frauenliebende Frauen begeben und echte Freundschaften geschlossen - aber keine Beziehungen. Die ganzen Wunden zu frisch, die Liebe nicht totzukriegen, irgendwann habe ich sie einfach angenommen und warte nun darauf, dass sie sich in Luft auflöst - kein Zuhause für jemand Neues, aber vor allem kein Zuhause für mich mit diesen ganzen Gefühlen, die nicht lebbar sind.

Ich hoffe, dass sich aus den neuen Schritten Wege ergeben, die ich gehen kann, ohne Verletzungsangst.

Und dass diese Wege das Ziel "Coming home" nicht verfehlen.




sturmfrau am 18.Jul 13  |  Permalink
Es ist vielleicht ein bisschen spekulativ, aber als ich vom Frauen-Lieben-Können las, da schoss mir durch den Kopf, dass das möglicherweise ja auch zusammenhängen kann mit der Fähigkeit zur Selbstliebe. Wenn es bei Dir bislang immer so war, dass Du Dich als Mann fühltest und Männer liebtest, dann war es doch der - vielleicht voreingenommene, vielleicht kritische - Blick auf die Frauen, der Dir die Selbstliebe als Frau verunmöglicht hat? Wenn da nun etwas ist, dass Dich innerlich näher zu der Frau in Dir gebracht hat, dann vielleicht das Erleben der Möglichkeit, Frauen generell lieben zu können.

Ich glaube hingegen nicht, dass die Liebe nur ein einziges Mal für Dich möglich war und es danach nichts mehr gibt. Vergiss nicht, Deine Seele hat eine Menge zu verarbeiten. Viele Dinge brauchen Zeit, und ich verstehe Deine Ungeduld gut, aber ich glaube, es ist eben auch ganz wichtig, den eigenen Takt anzuerkennen. Es braucht die Zeit, die es braucht, und das ist jenseits jeder Wertung, weder gut noch schlecht.

Die Suche nach dem Zuhause kenne ich so gut. Ich wünsche Dir von Herzen, dass sie Dir gelingt.

veicolare am 19.Jul 13  |  Permalink
die Antwort
ist einen eigenen Post wert: s. "Einmal Paradies.".